Gastbeitrag: Kleines Zuhause, große Freiheit – mein Leben im Wohnwagen

Gastbeitrag: Kleines Zuhause, große Freiheit – mein Leben im Wohnwagen

26. Februar 2022 0 Von Tina B.

Ich wache vom Prasseln des Regens auf. Das Trommeln der Regentropfen klingt hart und laut auf dem dünnen Aluminiumdach. Durch das gekippte Fenster riecht die Luft frisch und klar. Der Regen wird stärker. Habe ich das Dachfenster zugemacht? Hoffentlich bleibt alles dicht. Nein, müsste alles in Ordnung sein. Ich beruhige mich selbst, kuschle mich in mein Bett, genieße die Wärme der Heizdecke und das heimelige Gefühl, im Trockenen zu liegen und gleichzeitig dem Regen so nah zu sein.

Seit drei Jahren wohne ich nun mit Hund im Wohnwagen auf einem kleinen Campingplatz, umgeben von wildromantischer Natur. Andere kommen her, um Urlaub zu machen oder zum Sonntagsausflug, ich bin hier zu Hause. Hätte mir das vor ein paar Jahren jemand prophezeit, ich hätte ihn für verrückt erklärt. In einem Wohnwagen leben? Ich? Niemals!

Die Entscheidung

In einer kleinen Gemeinde mit viel Wald und Wiesen aufgewachsen, zog ich nach dem Abitur in die Stadt. Dann, nach über 20 Jahren Stadtleben mit all den damit verbundenen Vorzügen und Nachteilen, wurde mir eines Tages klar: Ich will, nein, ich muss zurück in die Natur. Für mich, für mein Seelenheil. Der Lärm, die zunehmende Hektik, die vielen unterschiedlichen Stimmungen der Menschen – ich wurde mit der Zeit immer überreizter und empfindlicher, das Gefühl von Enge und Gefangensein nahm von Tag zu Tag zu. Alternative Wohnformenhatten mich schon immer fasziniert, genauso wie die Vorstellung, mich selbst zu versorgen und möglichst unabhängig zu leben.

Eine eigene kleine Welt für sich: der Campingplatz. Foto: privat

Start ins neue Leben – Abenteuer Campingplatz

Nach ein paar Umwegen verschlug es mich dann auf den Campingplatz. Der Wohnwagen war ein Glücksgriff, top gehegt und gepflegt konnte ich ihn einem älteren Pärchen abkaufen. Auch meinen Stellplatz habe ich schnell gefunden: Etwas abseits, an drei Seiten eingebettet in Hecken und gegenüber freie Natur. Der kleine, familiäre Campingplatz ist einfach gehalten und ruhig. Es gibt eine Wiese für Tagescamper und etwa 65 Stellplätze, auf den meisten haben sich Wochenendcamper niedergelassen. An die 15 Leute wohnen auf dem Campingplatz das ganze Jahr über, der Jüngste ist drei, die Älteste 75 Jahre alt.

Soziales und kommunikatives Zentrum ist das Sanitärgebäude mit WC, Wasch- und Duschräumen, einem Abspülraum und einer Entleerstation für die Campingtoiletten. Daneben gibt es einen Raum mit zwei Waschmaschinen und zwei Wäschetrocknern, die wir gemeinschaftlich nutzen.

Loslassen – schrittweise zur Minimalistin

Der schwerste Schritt auf meinem Weg von der Wohnung mit 75 Quadratmetern in den Wohnwagen war eindeutig das Loslassen. Nicht das Loslassen vom Leben in der Stadt. Das ist mir ziemlich leichtgefallen. Nein, das Loslassen von all den Sachen, die ich in der Wohnung so selbstverständlich hatte und für die hier einfach kein Platz ist. Das Ausmisten war somit eine absolute Notwendigkeit und ein Prozess, der letztendlich immer noch andauert. Nach dem Umzug hierher hatte ich etliche Kartons über drei Keller verteilt, Dinge, von denen ich dachte, ich könnte sie doch noch irgendwann brauchen. Inzwischen sind die Keller geleert, ich habe das meiste verschenkt und mich nach jeder Räumaktion ein Stückchen leichter und befreiter gefühlt. Lediglich von meinen Büchern konnte ich mich nicht trennen, da musste ich die meisten einfach behalten. Sie stapeln sich jetzt in den wenigen freien Regalen oder liegen in Kisten in meiner Gartenhütte.

Auch mein Hund kuschelt sich im Winter gerne in warme Decken ein. Foto: privat

Wie weit ist die Komfortzone dehnbar?

Das Leben im Wohnwagen bedeutet aber nicht nur Verzicht auf Dinge, sondern vor allem Verzicht auf Komfort. Besonders in der kalten Jahreszeit lebt man doch ziemlich weit außerhalb der gewohnten Komfortzone.

Was hier im Alltag manchmal so richtig nervt oder zur echten Herausforderung wird:

Das Putzen in dem kleinen Wohnwagen ist schnell gemacht. Wenn da der ganze Sand, Staub und Dreck nicht wäre, den man ständig (vor allem bei schlechterem Wetter) in den kleinen Wohnraum trägt. Egal, wie oft ich kehre, sauge oder wische, irgendwas knirscht immer unter den Füßen.

Da es wenig Stauraum und Ablageflächen gibt, entsteht schnell ein unübersichtliches Chaos. Deshalb ist es noch wichtiger als in einer Wohnung, dass jedes Teil seinen festen Platz hat und nach Gebrauch auch dorthin zurückgeräumt wird. Im Alltag ist das für mich immer wieder eine Herausforderung.

Feuchte oder nasse Klamotten und Schuhe, zum Beispiel nach dem Gassigehen, sind hier meine wahren Feinde geworden. Wenn es dann auch noch kalt ist, trocknen die Sachen im unbeheizten Vorzelt oft erst nach Tagen. Den kleinen Wohnwagen voll zu hängen, ist auch keine Option. Hier bin ich immer noch auf der Suche nach der optimalen Lösung.

Von Oktober bis Mai wird das Wasser auf dem Gelände abgestellt, damit keine Leitung platzt. Dann heißt es, Wasser in Kanistern aus dem Sanitätsgebäude zum eigenen Platz bringen. Da ich an besonders kalten Tagen manchmal keine Lust habe, mit schmutzigem Geschirr oder Duschsachen in das öffentliche Gebäude zu laufen, habe ich die gute alte Spül- und Waschschüssel wiederentdeckt. Das funktioniert, Komfort sieht allerdings anders aus.

Bei starken Minusgraden kann es im Wohnwagen ziemlich ungemütlich werden, da braucht man nichts schönzureden. Dann helfen nur noch Decken, warme Klamotten, beim Schlafen eine Wärmflasche oder Heizdecke, Styroporplatten vor den Fenstern, am Boden dicke Wollteppiche und warme Getränke.

Ich wollte schon immer unter freiem Himmel arbeiten. Am Campingplatz habe ich nun endlich mein Büro im Grünen. Foto: privat

Leben, wo andere Urlaub machen

Trotz aller Herausforderungen – ich liebe mein kleines Zuhause und ich könnte mir nicht mehr vorstellen, wieder in einer Wohnung zu leben. Denn es gibt diese Glücksmomente, in denen ich spüre, dass ich hier genau am richtigen Ort bin.

Das Leben im Wohnwagen ist bescheiden, somit sind es auch die Lebenshaltungskosten. Die Pacht ist günstig, der Strom- und Wasserverbrauch gering. Im Sommer wechsle ich die Gasflasche fürs Kochen selten, lediglich im Winter brauche ich alle zwei bis drei Tage eine Gasflasche, wenn zum Kochen das Heizen dazukommt.

Auch sonst investiere ich Geld viel bewusster als früher, gebe es nur noch für Dinge aus, die mich glücklich machen oder die ich wirklich benötige. Ich genieße es, so wenig zu besitzen. Genau das, was ich für ein gutes und zufriedenes Leben brauche. Nicht weniger, vor allem aber auch nicht mehr. Das macht mich frei und unabhängig. So kann ich es mir beispielsweise leisten, nicht mehr so viel zu arbeiten wie früher, und mir stattdessen Zeit und Raum für weniger lukrative Herzensprojekte nehmen.

Ich habe mich schon immer am liebsten draußen aufgehalten. Hier auf dem Campingplatz kann ich das voll ausleben. So lange es das Wetter möglich macht, findet alles im Freien statt: Kochen, Arbeiten, Abspülen, an warmen Tagen nutze ich meine Außendusche mit Blick in den Wald. Ich habe auch angefangen, in selbst gebauten Hochbeeten Zucchini, Kartoffeln, Karotten, Tomaten und Co. anzubauen.

Das Leben in der Natur und in enger Verbindung mit den Jahreszeiten tut mir gut, es beruhigt und entschleunigt mich ungemein. Abends beim Zirpen der Grillen einschlafen, bei Vogelgezwitscher aufwachen und nachts, wenn keine Wolken am Himmel sind, fühle ich mich den Sternen ganz nah. Das erinnert an manchen Tagen schon sehr an Urlaub.

Sollte es mir hier irgendwann nicht mehr gefallen, hänge ich meinen Wohnwagen einfach ans Auto und suche mir einen anderen schönen Ort, vielleicht in Deutschland, vielleicht irgendwo im Ausland. Das ist ein weiterer, absoluter Pluspunkt am Leben im Wohnwagen für mich.

Fazit: Man braucht, insbesondere über den Winter, definitiv einen gewissen Abenteurergeist und vor allem die Fähigkeit und Lust, im Alltag auf Komfort zu verzichten und auch mal zu improvisieren. Vieles ist hier nicht ganz so selbstverständlich und bequem wie in einer Wohnung oder in einem Haus, und alleine dadurch bekommen Dinge eine andere Wertigkeit.

Ich habe in den letzten zwei Jahren viel gelernt, über das Leben, das Überleben, vor allem aber über mich. Ich fühle mich nicht nur freier und unabhängiger, sondern auch stärker; weil ich hier so oft über meinen Schatten und inneren Schweinehund gesprungen bin und dabei inzwischen einen Gleichmut und Frieden tief in mir entwickelt habe, den ich auch in anderen Bereichen meines Lebens deutlich spüre.
Manchmal werde ich mit einer Mischung aus Entgeisterung und Mitgefühl angeschaut, wenn ich sage, dass ich auf dem Campingplatz wohne. Ich kann das verstehen – so ein Leben ist sicher nichts für jeden. Ich denke, jeder kann leben, wie er möchte und ich habe nicht den Anspruch, von allen verstanden zu werden.

Meine Familie und meine Freunde allerdings mögen mein neues Zuhause, auch wenn die meisten von ihnen selbst nicht so wohnen wollten. Sie kommen mich gerne besuchen und sie alle verstehen meine Entscheidung, denn sie sehen: das Leben im Wohnwagen macht mich zufrieden und glücklich.

Tina B., 46 Jahre alt, lebt seit drei Jahren mit ihrem Hund im Wohnwagen auf einem Campingplatz in Franken